Theorie und Praxis.

Bild aus dem Eheleben. Von Paul Bliß
in: „Nebraska Staats-Anzeiger” vom 16.05.1895,
in: „Lienzer Zeitung” vom 20.07.1901,
in: „Teplitz-Schönauer Anzeiger” vom 14.03.1896 (hier: Der beste Mann),
in: „Der Landbote”, Anzeiger für den Amtsbezirk Sinsheim vom 10.12.1896 (hier: Der beste Mann),
in: „Slavonische Presse (Esseg)” (hier: Eheglück), vom 10. und 11.03.1903


Theorie und Praxis.

Novellette von Paul Bliß
in: „Nebraska Staats-Anzeiger” vom 16.05.1895


Meine Frau hatte versucht, mir eine kleine Szene zu machen, aber es blieb beim Versuch, denn ich reagirte auf nichts.

Mit einem Krach flog die Thüre zu. Meine bessere Hälfte hatte mich verlassen. Ich war allein.

Ich lachte aus vollem Herzen laut los. Die ganze Sache, der Streit um ein Nichts, kam mir zu komisch vor. Aber ich freute mich auch, daß ich meine Ruhe bewahrt und so die Würde des Hausherrn gerettet hatte.

In demselben Augenblick klopfte es und auf mein Herein trat ein guter Freund von mir ein.

„Na, was ist denn wieder vorgefallen?” begann er, „Deine Frau ist mir bleich und zitternd entgegengetreten. Du hast wohl wieder 'mal einen Krach gemacht?”

Ich lächelte überlegen und endlich sagte ich, daß er der kleinen Geschichte eine viel zu große Bedeutung beilege.

„Mir scheint nur,” sprach er weiter und lächelte boshaft, „das kommt etwas oft vor.”

„Ach nein,” antwortete ich, mich beherrschend, „so eine deutliche Aussprache ist sehr viel werth, — sie schafft Klarheit.”

„Aber daß Du soviel Worte machst, beweist mir am besten, daß ich Recht habe.”

„Recht? Ja, was glaubst Du denn?”

„Ich glaube, daß, wenn man sich liebt, solche Szenen überhaupt nicht vorkommen dürfen!”

Der gute Junge in seinem Eifer kam mir sehr komisch vor. Aber ich hielt an mich und antwortete ruhig:

„Lieber Karl, mach Dich nicht lächerlich. Du bist noch ein glücklicher Bräutigam, aber heirathe erst, — wer eine Frau ganz kennen lernen will, nuß sie heirathen.”

„Das sind schöne Worte,” entgegnete er mir erregt, „aber weiter nichts.”

Nun, wir werden ja sehen, wie weit Du mit Deiner sehr schönen Theorie kommen wirst, wenn erst die goldne Fessel Deinen Finger schmückt.”

Unser Gespräch wurde unterbrochen, denn meine Frau trat wieder ein und brachte mir einen soeben angekommenen Brief. Es war eine Einladung zu einer größeren Abendgesellschaft.

„Wie ich mich darauf freue!” jubelte mein Weibchen auf.

Ich aber zog meine Stirn in Falten und sagte ruhig und langsam: „Mein liebes Kind, wir gehen nicht zu der Gesellschaft.”

Der Freund starrte mich an und meine Frau war ganz sprachlos.

„Nein,” wiederholte ich, „wir gehen nicht hin.”

„Aber warum denn nicht?” fragte sie.

„Erstens, weil ich mit den freundlichen Gastgebern keine Verbindung anknüpfen will und dann, weil es mir zu kostspielig wird.”

„Was kostet denn das schon viel,” warf meine Frau erregt ein, „meine Garderobe ist ja imstande und nur ein paar Handschuhe brauche ich.”

„Das ist ja auch das wenigste,” sagte ich ernst, „aber wenn wir der Einladung Folge leisten, so haben wir auch die Verpflichtung, wieder Gesellschaft zu geben — na kurz und gut, es verursacht Kosten und macht Unruhe und beides möchte ich vermeiden.”

Meine Frau schwieg und kämpfte eine böse Antwort herunter. Mein Freund schwieg und sah bald mich, bald mein Weibchen staunend an. Und ich schwieg auch und zündete mir eine Cigarrette an.

Unausgesetzt, aber heimlich beobachtete ich meine Frau. Sie war in maßloser Erregung, aber sie schluckte all ihren Groll herunter, um in Gegenwart meines Freundes keine Scene zu provociren. Endlich erhob sie sich, sagte meinem Freunde Adieu, würdigte mich keines Blickes, und rauschte hinaus wie eine beleidigte Fürstin. Mein Freund zuckte die Schultern. Ich sei ihm ein Räthsel. Mich aber ließ das ganz kalt. Ich kenne meine Frau und weiß, wie lange solche Stimmung vorhält: beim ersten Kuß, den ich ihr gebe, liegt sie wieder in meinem Arm. Aber ich wollte mir auch keine Blöße geben, und deshalb ließ ich sie grollend hinausgehen.

„Ein Räthsel bist Du mir!”

„Man soll seiner Frau solche kleine Bitte nicht abschlagen.”

„Lieber Junge, das nennt mam Ehepolitik: ich ersticke das Uebel im Keime. Man muß sich nach der Decke strecken. In der jungen, hübschen Frau steckt ein Gesellschaftsteufel und wehe dem Manne, der zu schwach ist! Um seine Ruhe ist es geschehen, und in seiner Kasse wird ewige Ebbe sein.”

Jetzt schwieg er und dachte nach. Ich freute mich schon, ihn überzeugt zu haben. Da aber stand er auf, trat entschlossen zu mir heran und sagte mit voller Stimme:

„Und trotz alledem bleibe ich bei meiner Theorie: wer seine Frau lieb hat, darf sie nicht so behandeln, wie Du es eben Deiner Frau angethan hast”

*           *           *

Ein halbes Jahr später.

Meine Frau und ich sind längst ausgesöhnt. Inzwischen haben wir uns wohl hundertmal noch gezankt und uns natürlich ebenso schnell wieder vertragen. Meine Frau, die ein ganz entzückendes kleines Weibchen geworden ist, hat nach und nach eingesehen, daß ich der Stärkere bin und gelernt, sich zu fügen. Und seit wir nun den ersten strammen Jungen haben, kann ich sie — wie man so sagt — rein um den Finger wickeln.

Einige Wochen später traf ich meinen Freund. Er war bereits seit vier Wochen Ehemann.

„Nun, wie lebt sich's in der Ehe?” fragte ich mit leiser Bosheit.

„O, wir sind sehr glücklich!” entgegnete er sehr stolz, wurde aber roth und suchte seine Unruhe zu verbergen.

Halb prüfend, halb mitleidig sah ich ihn an.

„Hör 'mal, Du, kann ich Dir irgendwie mit einem Rath dienen?” fragte ich lächelnd.

Doch er überhörte es und sagte schnell: „Wir kommen in den nächsten Tagen zu Euch.” Dann war er fort.

Aha, dachte ich, der arme Junge hat sich schon festgefahren. Er that mir leid. Doch ich ließ ihn gehen.

Nach einigen Tagen stellte er uns seine Frau vor. O, sie war sehr hübsch, sehr geistvoll, aber auch unheimlich energisch. Ich wußte genug. Alles, was ich ihm vorausgesagt, war genau eingetroffen. Sie war die Stärkere und er that alles, was sie haben wollte.

„Aber Mensch,” sagte ich und nahm ihn beiseite, „wie konntest Du Dir so alle Rechte nehmen lassen!”

Er zuckte resignirt die Schultern und antwortete sehr kleinlaut: „Du hattest Recht, ich war ein Narr damals, aber nun ist's zu spät.”

„Nein, noch ist es Zeit!”

Doch er fiel mir in's Wort: „Laß nur,” sagte er, „ich erwarte alles von dem ersten Jungen,”

Ich mußte lächeln, schwieg aber und dachte: unverbesserlicher Idealist!

Als sie dann gingen, wagte mein Weibchen, kühn geworden durch die energische junge Frau, noch einen letzten Ausfall: „Siehst Du, das ist eine glückliche Ehe. Da thut der Mann alles, was die Frau haben will!”

Ich aber nahm sie in meinen Arm und fragte ganz leise: „Sag' doch mal ganz ehrlich, ist Euch Frauen denn ein echter Mann nicht lieber als solch ein Schwächling?”

Darauf antwortete mein kluges Frauchen nichts, aber ganz unversehens bekam ich einen heißen Kuß.

Der beste Mann.

Novellette von Paul Bliß
in: „Teplitz-Schönauer Anzeiger” vom 14.03.1896


Meine Frau hatte versucht, mir eine kleine Scene zu machen, aber es blieb beim Versuch, denn ich reagirte auf nichts.

Mit einem Krach flog die Thüre zu. Meine bessere Hälfte hatte mich verlassen. Ich war allein.

Ich lachte aus vollem Herzen laut auf. Die ganze Sache, der Streit um ein Nichts, kam mir zu komisch vor. Aber ich freute mich auch, daß ich meine Ruhe bewahrt und so die Würde des Hausherrn gerettet hatte.

In demselben Augenblick klopfte es, und auf mein Herein trat ein guter Freund von mir ein.

„Na, was ist denn wieder vorgefallen?” begann er, „Deine Frau ist mir bleich und zitternd entgegengetreten. Du hast wohl wieder 'mal einen Krach gemacht?”

Ich lächelte überlegen und endlich sagte ich, daß er der kleinen Geschichte eine viel zu große Bedeutung beilege.

„Mir scheint nur,” sprach er weiter und lächelte, „das kommt etwas oft vor.”

„Ach nein,” antwortete ich, mich beherrschend, „so eine deutliche Aussprache ist sehr viel werth, — sie schafft Klarheit.”

„Aber daß Du so viel Worte machst, beweist mir am besten, daß ich Recht habe!”

„Recht? Ja, was glaubst Du denn?”

„Ich glaube, daß, wenn man sich liebt, solche Scenen überhaupt nicht vorkommen dürfen!”

Der gute Junge in seinem Eifer kam mir sehr komisch vor. Aber ich hielt an mich und antwortete ruhig:

„Lieber Karl, mach Dich nicht lächerlich. Du bist noch ein glücklicher Bräutigam, aber heirathe erst, — wer eine Frau ganz kennen lernen will, nuß sie heirathen.”

„Das sind schöne Worte,” entgegnete er mir erregt, „aber weiter nichts.”

Nun, wir werden ja sehen, wie weit Du mit Deiner Theorie kommen wirst, wenn erst die goldene Fessel Deinen Finger schmückt.”

Unser Gespräch wurde unterbrochen, denn meine Frau trat wieder ein und brachte mir einen soeben angekommenen Brief. Es war eine Einladung zu einer größeren Abendgesellschaft.

„Wie ich mich darauf freue!” jubelte mein Weibchen auf.

Ich aber zog meine Stirn in Falten und sagte ruhig und langsam: „Mein liebes Kind, wir gehen nicht zu der Gesellschaft!”

Der Freund starrte mich an und meine Frau war ganz sprachlos.

„Nein,” wiederholte ich, „wir gehen nicht hin!”

„Aber warum denn nicht?” fragte sie.

„Erstens, weil ich mit den freundlichen Gastgebern keine Verbindung anknüpfen will, dann, weil es mir zu kostspielig wird!”

„Was kostet denn das schon viel,” warf meine Frau erregt ein, „meine Garderobe ist ja imstande und nur ein paar Handschuhe brauche ich.”

„Das ist ja auch das wenigste,” sagte ich ernst, „aber wenn wir der Einladung Folge leisten, so haben wir auch die Verpflichtung, wieder Gesellschaften zu geben — na, kurz und gut, es verursacht Kosten und macht Unruhe und beides möchte ich vermeiden.”

Meine Frau schwieg und kämpfte eine böse Antwort herunter. Mein Freund schwieg und sah bald mich, bald mein Weibchen staunend an. Und ich schwieg auch und zündete mir eine Zigarre an.

Unausgesetzt, aber heimlich beobachtete ich meine Frau. Sie war in maßloser Erregung, aber sie schluckte all ihren Groll herunter, um in Gegenwart meines Freundes keine Szene zu provozieren. Endlich erhob sie sich, sagte meinem Freund adieu, würdigte mich keines Blickes, und rauschte hinaus, wie eine beleidigte Fürstin. Mein Freund zuckte die Schultern. Ich sei ihm ein Räthsel. Mich aber ließ das ganz kalt. Ich kenne meine Frau und weiß, wie lange solche Stimmung vorhält: beim ersten Kuß, den ich ihr gebe, liegt sie wieder in meinem Arm. Aber ich wollte mir auch keine Blöße geben, und deshalb ließ ich sie grollend hinausgehen.

„Ein Räthsel bist Du mir.”

„Warum?” fragte ich.

„Man soll seiner Frau solche kleine Bitten nicht erfüllen?.”

„Lieber Junge, das nennt mam Ehepolitik: ich ersticke das Uebel im Keime. Aus kleinen Bitten werden große und schließlich hat meine Frau die Hosen an!”

„Aber man kann doch 'mal nachgeben.”

„Nein, das soll man nie, wenn man im Recht ist!”

„Aber wenn Fu sie liebst — —”

„Liebe: — immer dies schöne Wort!” rief ich erregt, „Liebe ist ein imaginärer Begriff, ein Wort, das nur ein Zehntel so viel bedeutet, als daraus gemacht wird. Und mit dieser schönen Theorie wirst Du in eine arge Sackgasse gerathen, lieber Freund! Kein praktischer Mann braucht dieses Wort heute in dem Sinne mehr! Das Leben ist viel zu ernst geworden durch die ewigen Kämpfe, die wir durchmachen müssen, und wir modernen Männer sind viel zu nüchtern geworden, wir denken praktisch!”

Er war nicht zu überzeugen.

„Weshalb aber diese kleine Bitte nicht erfüllen, die doch ganz gewiß harmlos war?” fragte er noch einmal.

„Einfach darum nicht, weil ich mich nicht in Schulden stürzen will. Man muß sich nach der Decke strecken. In jeder jungen Frau steckt ein Gesellschaftsteufel und wehe dem Manne, der zu schwach ist! Um seine Ruhe ist es geschehen und in seiner Casse wird ewige Ebbe sein.”

Jetzt schwieg er und dachte nach. Ich freute mich schon, ihn überzeugt zu haben. Da aber stand er auf, trat entschlossen zu mir heran und sagte mit voller Stimme:

„Und trotz alledem bleibe ich bei meiner Theorie: wer seine Frau lieb hat, darf sie nicht so behandeln, wie Du es eben Deiner Frau angethan hast”

Nun wurde ich beinah grob.

Glaubst Du denn, daß ich mein Weibchen nicht gerne habe? — Erst recht! Ich hätte sie küssen können vorhin, als sie so erregt dastand. Aber ich habe es nicht gethan, weil ich mir keine Blöße geben darf! Wie alles im Leben ist auch die Ehe ein Kampf. Der Stärkere siegt. Der Stärkere aber muß der Mann sein. Und glaube mir nur, eine Ehe, in der der Mann regiert, ist noch immer die beste!”

„Nun,” sagte er lächelnd, „wir wollen uns sprechen, wenn ich Ehemann sein werde; dann sollst Du sehen, wie ich mir das Leben gemüthlich machen werde!” Damit verabschiedete er sich von mir.

Ich ließ ihn gehen. Ueberzeugen konnte ich ihn nicht, mochte es die Wirklichkeit thun! Aber innerlich freute ich mich doch, wenn er den ersten Krach haben würde. Man möge nur ja nicht glauben, daß ich ein schlechter Mensch sei, — bewahre!

Nur ein wenig schadenfroh bin ich geworden, seit ich verheirathet bin.

*           *           *

Ein halbes Jahr später.

Meine Frau und ich sind längst ausgesöhnt. Inzwischen haben wir uns wohl hundertmal noch gezankt und uns natürlich ebenso schnell wieder vertragen. Meine Frau, die ein ganz entzückendes kleines Weibchen geworden ist, hat nach und nach eingesehen, daß ich der Stärkere bin und darum hat sie gelernt, sich zu fügen. Und seit wir nun den ersten strammen Jungen haben, kann ich sie — wie man so sagt — rein um den kleinen Finger wickeln.

Einige Wochen später traf ich meinen Freund. Er war bereits seit vier Wochen Ehemann.

„Nun, wie lebt sich's in der Ehe?” fragte ich mit leiser Bosheit.

„O, wir sind sehr glücklich!” entgegnete er stolz, wurde aber roth und suchte seine Unruhe zu verbergen.

Halb prüfend, halb mitleidig sah ich ihn an.

„Hör 'mal, Du, kann ich Dir irgendwie mit einem Rath dienen?” fragte ich lächelnd.

Doch er überhörte es und sagte schnell: „Wir kommen in den nächsten Tagen zu Euch.”

Dann war er fort.

Aha, dachte ich, der arme Junge hat sich schon festgefahren. Er that mir leid. Doch ich ließ ihn gehen. —

Nach einigen Tagen stellte er uns seine Frau vor. O, sie war sehr hübsch, sehr geistvoll, aber auch unheimlich energisch. Ich wußte genug. Alles, was ich ihm voraus gesagt, war genau eingetroffen. Sie war die Stärkere und er that Alles, was sie haben wollte. „Aber Mensch,” sagte ich und nahm ihn bei Seite, „wie konntest Du Dir alle Rechte nehmen lassen!”

Er zuckte resignirt die Schultern und antwortete sehr kleinlaut: „Du hattest Recht, ich war ein Narr damals, aber nun ist's zu spät.”

„Nein, noch ist es Zeit!”

Doch er fiel mir in's Wort: „Laß nur,” sagte er, „ich erwarte alles von dem ersten Jungen,”

Ich mußte lächeln, schwieg aber und dachte: unverbesserlicher Idealist!

Als sie dann gingen, wagte mein Weibchen, kühn geworden durch die energische, junge Frau, noch einen letzten Ausfall: „Siehst Du, das ist eine glückliche Ehe. Da thut der Mann alles, was die Frau haben will!”

Ich aber nahm sie in meinen Arm und fragte ganz leise: „Sag' doch 'mal ganz ehrlich, ist Euch Frauen denn ein echter Mann nicht lieber als solch ein Schwächling?”

Darauf antwortete mein kluges Frauchen nichts, aber ganz unversehens bekam ich einen heißen Kuß!

„Warum?” fragte ich.

Eheglück.

Novellette von Paul Bliß
in: „Slavonische Presse (Esseg)” (hier: Eheglück) vom 10. und 11.03.1903


„Also, wie gesagt, wir machen den Ball nicht mit,” — antwortete ich energisch.

Meine Frau war einfach sprachlos. Sie stand vor mir, starrte mich an und besann sich, welches ihrer Mittelchen wohl am besten auf mich wirken könnte. Endlich entschloß sie sich, warf mir einen Wuthblick zu, ließ sich in einen Fauteuil fallen und begann ihr Thränenconcert.

„Natürlich!” — Ich zuckte mit den Schultern, lächelte spöttisch und ging, leise pfeifend, auf und ab im Zimmer.

Ungefähr nach fünf Minuten ist das Schluchzen meiner kleinen Frau kaum mehr hörbar, nur ab und zu nochmal ein tiefer Seufzer, das ist Alles. Sie hat eingesehen, daß es zwecklos ist.

„Ein Tyrann bist Du!” beginnt sie jetzt, steht auf, würdigt mich keines Blickes, geht auf die andere Seite des Zimmers, und setzt sich dort ans Fenster.

Ich schweige, als ob mich das gar nichts anginge, — oh, auch ich habe meine Mittelchen.

„Ein Barbar!” ruft sie, gereizter werdend, „sicher liebst Du mich nicht mehr, denn sonst würdest Du mir diesen kleinen Gefallen nicht so rundweg abschlagen!”

„Mein Kind,” entgegnete ich ernst, „ereifere Dich doch nicht unnnöthig; — wir nehmen die Einladung nicht an.”

„Warum eigentlich nicht?” fährt sie auf.

Ich schweige und sehe sie erstaunt an.

„Nun, hast Du für Deine Frau keine Antwort mehr?” Dabei blickt sie mich mit ihren schönen braunen Augen so trotzig an, daß ich sie gleich umfassen und küssen könnte, aber ich bezwinge mich, so daß ich vollkommen gleichgiltig antworte:

„Ich kann Dir nur widerholen, was Du schon weißt: Erstens will ich diesen ewigen Trubel nicht haben, dies Hasten von einem Fest zum andern, — das macht uns ja noch ganz kaput! — und dann sind mir auch die Ausgaben zu hoch, — ich bin der Herr im Hause, ich weiß, was wir ausgeben dürfen, und ich sage Dir jetzt, hiermit zum letztenmal: wir machen den Ball nicht mit.”

Mir noch einen wüthenden Blick zuwerfend, dreht sich mein Frauchen um und rauscht hinaus, die Thür hinter sich zuknallend.

Kaum war mein erzürntes Frauchen rechts hinausgerauscht, als unmittelbar darauf durch die linke Thür, die nur angelehnt war, mein Freund eintritt. Lächelnd tritt er näher. Er hatte Alles mit angehört. Ich sah es seinem Gesicht an. Mir recht.

„Kommt das öfter vor?” fragte er ironisch.

„Du legst der Sache mehr Bedeutung bei,” erwiderte ich, „als sie werth ist, so eine Aussprache zwischen Eheleuten ist unumgänglich, und man sieht auf beiden Seiten immer klar, — das ist ein unschätzbarer Vorzug!”

„Daß Du so viele Worte deshalb machst, beweist mir am besten, daß ich recht habe,” sagte er lächelnd.

„Du hältst Deine Behauptung von gestern aufrecht, daß ich meine Frau nicht liebe?”

„Nicht so, wie es für eine glückliche Ehe sich geziemt, denn sonst würden solche Scenen, wie sie sich eben abgespielt haben, einfach nicht vorkommen dürfen.”

„Mein Junge, mache Dich nicht lächerlich! Erst komm' Du selbst unter die Haube, und dann rede mir wieder davon. Mit Deiner schönen Theorie wirst Du sehr bald festsitzen.”

„Theorie hin, Theorie her,” fuhr er, erhitzter werdend, fort, „die Hauptsache ist, daß man sich liebt, dann findet sich Alles von selbst!6rdquo;

„Aber nein, mein Junge, Du bist ein Träumer! So wirst Du in eine Sackgasse gerathen! — Liebe? Was ist denn Liebe?! — Eine Illusion ist sie, ein imaginärer Begriff! — Kein practischer Mensch braucht dies alberne Wort mehr, wenigstens in dem Sinne mehr!”

„Du sprichst vom Mann —” warf er ein.

„Durchaus nicht allein, auch unsere Frauen sind andere geworden, als sie vor zehn und fünfzehn Jahren waren — und wenn Du das nicht glauben willst, dann besuche gefälligst eine jener Versammlungen, in denen man über die „Frauenfrage” zu Rathe sitzt, da dürften Dir sehr bald die Augen übergehen.” Ich hatte mich ordentlich warm geredet.

Mein Freund stand am Fenster, sah träumend in die blaue Luft und antwortete mir nicht eine Silbe.

„Du, Fritz,” begann ich ärgerlich, „Du hast wohl gar nicht gehört, was ich Dir eben — — —”

„Oh, jedes Wort, — und eben das hat mich so nachdenklich gestimmt.”

„Und ich sage Dir, daß ich trotzdem meinem Grundsatz treu bleiben werde,” begann er eifrig, „daß ich nur Diejenige in mein Haus führen werde, die ich wahrhaft liebe.”

Lächelnd nickte ich ihm zu.

„Du wirst von mir hören und zwar bald!” damit nahm er flüchtig Abschied von mir und rannte hinaus.

Warum sollte ich ihn halten, oder ihn zu überzeugen suchen, daß seine Anschauung eine irrige sei? Nein, das wäre thöricht gehandelt. Ein guter Freund raubt dem andern niemals eine Illusion. Das mag das Leben thun. Ganz heimlich freute ich mich doch auf den ersten Krach, den es in seiner Ehe geben würde — ich bin gewiß kein schlechter Mensch, nur ein wenig schadenfroh, denn man ist eben nicht ungestraft verheiratet.

*           *           *

Nach einem halben Jahre erst sah ich ihn wieder. Er war verlobt. Er hatte wirklich gehalten, was er sich vorgenommen, hatte seine Jugendgeliebte auserkoren. Strahlend, triumphirend theilte er es mir mit.

„Wir leben wie im Paradiese, Sie ist ein entzückendes Wesen, so sanft, so nachgiebig; was sie mir an den Augen absehen kann, das thut sie! — Siehst Du, mein Freund,” sagte er im vollen Brustton, „ das ist Liebe, das wird die Ehe geben, die ich mir stets ausgemalt habe in meiner Phantasie!”

Ich gratulirte ihm, wünschte ihm vom Herzen alles Glück, und dachte mir heimlich: na, sei mal erst mit ihr verheiratet; — denn das ist das Fatale bei den Frauen: will man eine ganz kennen lernen, dann muß man sie erst heiraten, früher ist's nicht möglich.

„Nun, wie geht es bei Euch?” fragte er. „Seid Ihr noch böse von damals her?”

„Von damals her?” Ich mußte laut auflachen. „Lieber Freund, seitdem haben wir uns schon zehnmal wieder gekabbelt und zehnmal wieder vertragen! Mein Frauchen hat es immer wieder versucht, das Regiment in die Hand zu bekommen, ich aber habe ihr gezeigt, daß ich der Stärkere bin und daß ich das Regiment führen will. Jetzt endlich hat sie eingesehen, daß alles weitere Sträuben nutzlos ist, jetzt thut sie was ich will, und jetzt leben wir — um Deine Worte zu brauchen — im Paradiese.”

Er schüttelte den Kopf. Das begriff er nicht.

„In meiner Ehe werden solche Scenen nicht vorkommen,” sagte er, „dazu lieben wir uns viel zu sehr.”

Ich lächelte und dachte mir mein Theil.

*           *           *

Nach widerum einem halben Jahre kam er wieder zu mir. Die beiden Liebenden waren jetzt vereint. Er stellte uns seine Frau vor. Ein hübsches Weibchen, kapriziös und chic, tactvoll und gebildet, aber von einer unheimlichen Energie. Armer Freund, dachte ich, die gerade hatte Dir gefehlt!

Als die beiden Frauen bekannt geworden waren und zusammen plauderten, zog ich ihn in mein Zimmer.

„Nun, wie gefällt Dir der Ehestand?” fragte ich ihn.

„Ach, ausgezeichnet!” betheuerte er, wurde aber purpurroth.

Ich wußte genug.

„Mein lieber Junge, daran bist Du selbst schuld.”

„Ich bitte, nur kein Mitleid!” fuhr er auf. „Wenn ich mich schon blamirt habe, dann uze mich nicht auch noch damit.”

„Du hättest Dir an mir ein Beispiel nehmen und zeigen sollen, daß Du der Herr im Hause bist. So bist Du das Opfer Deiner Illusion geworden.”

Er wollte wieder auffahren.

„Jawohl, mein Freund, so ist es! Jetzt kann ich Dir das sagen, denn jetzt hast Du selbst die Thatsache erfahren; hätte ich's Dir damals gesagt, dann hättest Du mich eine Unke gescholten.”

„Aber, bitte, bitte, — Du übertreibst ganz entschieden! Bilde Dir nur nicht ein, daß ich der Mann meiner Frau bin, — oh, nein! Dazu lieben wir uns viel zu sehr.”

In diesem Augenblick erschien das junge Frauchen im Rahmen der Thür.

„Aber Fritz, wo bleibst Du denn? Wir müssen doch um 12 Uhr zu Hause sein.”

„Gewiß, mein Schatz,” entgegnete er eifrig, sprang auf, rannte nach Hut und Stock und sagte in Hast Adieu, denn seine Dame wartete bereits auf seinen Arm.

Als sie draußen im Wagen saßen, machte sie ihm eine Scene. Ich hörte es, meine Frau auch, denn das Fenster war offen. Und der arme Fritz ließ Alles über sich ergehen, ja, er bat noch förmlich um Verzeihung, — — — armer, armer Freund, dachte ich.

„Siehst Du, so ein Mann ist galant, den laß ich mir gefallen,” sagte meine Frau.

Ich schwieg und sah sie nur an, aber mit einem sehnsüchtigen verlangenden Blick, so daß sie erröthend die Augen senkte.

„Sei doch mal offen,” sagte ich dann, „habt Ihr denn einen Mann, der auch — als Mann auftritt, nicht lieber als solchen Weichling?”

Sie umhalste und küßte mich, sagte aber kein Wort.

— — —